Baukunst aktuell

Liebe Kollegin, lieber Kollege,

Die Welt verändert sich stetig und mit ihr unsere Gewohnheiten, Wichtigkeiten und Abhängigkeiten. Waren einige von uns in den 90ern noch empört über eine Volkszählung und die staatliche Sammelwut unserer Daten, so verwenden wir heute sorglos Fingerabdrücke oder unser Konterfei zum Öffnen unseres Computers und Mobiltelefons.

Waren in der Nachkriegszeit Materialien jeglicher Art noch so wertvoll, dass die Wiederverwertung ein Gesetz der Stunde war, so haben wir uns spätestens im letzten Jahrzehnt daran gewöhnt, dass es sich auf Grund hoher Lohn- und niedriger Materialkosten sowie zeitnaher Verfügbarkeit aller Waren kaum mehr lohnt Produkte zu reparieren oder weiter zu nutzen.

Um so überraschender ist es, wie in kürzester Zeit Verknappung, Teuerung und strauchelnde Lieferketten nicht nur uns Architekt:innen zum Umdenken zwingen. So wie eine individuelle Sorglosigkeit mit Alexa, Paybackkarten und Videoüberwachung das Leben bequemer und vermeintlich sicherer macht, so kann eine übertriebene und unkontrollierte Globalisierung zu gefährlichen Abhängigkeiten führen und eine damit verbundene Arglosigkeit erst die Grundlage zur aktuellen Wirtschaftskrise schaffen.

Vieles ist zwar heute nicht mehr umkehrbar, geänderte Vorzeichen schaffen aber Raum für alternative, nachhaltige und lokale Materialien.Oft sind bisher geschmähte Produkte aktuell nicht nur wirtschaftlicher und verfügbarer, sie sind vor allem meist auch wiederverwertbar.

Diese neuen Herausforderungen bieten ein großes Potential. Sie zwingen uns nicht nur bekannte Wege zu verlassen, sondern auch dazu, einen anderen Umgang mit den alltäglichen Dingen zu lernen. Es wird deutlich, daß eine neue, ernstgemeinte und gelebte Achtsamkeit nicht nur die Umwelt sowie auch unsere Freiheit schützt, sondern Grundlage unseres zukünftigen Handelns sein sollte.

Herzlichst
Stuart Stadler
Architekt VfA