BARCODE – Neubau eines Niedrigenergie- Wohn- & Atelierhauses

Kategorie:
Wohnhaus/ Niedrigenergie

Fertigstellung: 2005

Entwurfskonzept: MVRDV, Rotterdam

Überarbeitung/Ausführung:
Architekten Stadler + Partner, München

„Lebe deinen Traum“ war vielleicht das Motto mit dem sich Claudia Langer und Gregor Wöltje auf die Suche nach dem passenden Konzept für ihr ganz persönliches Traumhaus machten. Erste Ideen sollte 2002 ein »Wettbewerb« unter einigen ausgewählten Architekturbüros liefern. Heraus kamen mehrere schöne Entwürfe, doch der Funke sprang bei keinem so recht über. So entschieden sich die Bauherren für einen anderen, direkteren Weg und starteten eine konkrete Planungsanfrage an MVRDV, womit der Grundstein für das so genannte »Barcode-House« im Süden von München gelegt war. Idee der Niederländer war es, die vielen geforderten Funktionen zu separieren und das Haus scheibenweise, eben wie die unterschiedlich breiten Striche eines Barcodes, wieder zusammenzufügen. Jedes einzelne Segment ist somit einer bestimmten Funktion zugeordnet, hat seinen eigenen individuellen Grundriss, seine eigene Farbe und Materialität.

Die tatsächliche Umsetzung dieser Idee , vor allem die Überarbeitung der gesamten Raumkonzeption, die Detaillierung und Bauausführung bedeutete für die Bauherren und das Münchener Architekturbüro Stadler + Partner, das 2004 mit der weiteren Bearbeitung des Entwurfs beauftragt worden war, jedoch noch viele Monate Arbeit. Um die Vorstellungen der Bauherrn vollständig zu erfüllen, galt es zunächst ein variables Nutzungskonzept zu schaffen: Das Gebäude sollte grundsätzlich in ein Wohn- und ein Arbeitshaus gegliedert werden, die von MVRDV vorgeschlagene streifenartige Zonierung legt sich wie eine zweite Gliederungsebene darüber und ordnet die weiteren Funktionen. So beginnt der lang gestreckte Baukörper an der Straße im Norden des Grundstücks mit dem Parkhaus, an das sich Treppenhaus, Servicehaus und Lofthaus anschließen. Ein luftiges Zwischenglied, das so genante Patiohaus, schafft den Übergang zum Wohntrakt, der seinerseits in das Kinderhaus, ein zweites Treppenhaus, das Elternhaus und das Wohnhaus unterteilt ist.

Da es den Bauherren nicht nur um ein stimmiges Konzept ging, sondern auch um ein baubiologisch einwandfreies Haus mit gutem Raumklima, in dem sich die Familie wohl fühlt, sollte der Entwurf konstruktiv in Holz ausgeführt werden. Zum Einsatz kam ein Bausystem in Massivholz in Schottenbauweise mit Brettstapeldecken. Die einzelnen Wände sind aus mit Alunägeln verbundenen Holzbrettern aufgebaut, so dass kein Leim in das Gebäude eingebracht werden musste. Wo es die Statik erforderte, wurden Verstärkungen aus zusätzlichem Brettschichtholz und Stahlprofilen eingefügt. Einzig das Kellergeschoss wurde betoniert, wobei vor allem die Erstellung der Baugrube nicht ganz einfach war, um die perfekte Ausnutzung des Grundstücks zu gewährleisten und die geforderten Auflagen zum Schutz des Baumbestandes zu erfüllen.

Bei den Fassaden handelt es sich in erster Linie um vorgehängte hinterlüftete Fassaden, die mit verschiedensten Materialien beplankt sind und so die Entwurfsidee der einzelnen Streifen bzw. Funktionsbereiche auch nach außen hin sichtbar machen. Am ungewöhnlichsten mutet sicher die kissenartige Fassade des Parkhauses an – eine mit Schaumstoff hinterlegte silberne Kunststoffmembrane von Ferrari, die mit Punkthaltern an der Unterkonstruktion befestigt ist. Die Verkleidung wurde auch über die beiden in der Straßenfassade liegenden Garagentore fortgesetzt, so dass diese sich nur durch die schmalen Fugen zu erkennen geben. Einen schemenhaften Blick ins Innere ermöglicht dagegen die an das Parkhaus anschließende Hülle des Treppenhauses aus satiniertem Glas. Die dahinter liegende massive Holzkonstruktion wird in diesem Segment wohl am deutlichsten sichtbar, die Wände wurden hier roh belassen und vermitteln einen werkstattartigen, fast unfertigen Charakter. Das Servicehaus beherbergt die Lager- und Kopierräume des Bürotrakts. Mit einer Verkleidung aus glatten schwarzen Trespa-Fassadenplatten präsentiert sich dieser Block nach außen hin fast monolithisch.

Dieser Eindruck wird insbesondere dann verstärkt, wenn die flächenbündig eingebauten Fensterläden komplett geschlossen sind. Poppig zeigt sich dagegen die transluzente Außenseite des Lofthauses aus orangefarbenen Polycarbonatplatten von Rodeca, die dahinterliegende Tyvek- Folie bleibt sichtbar und vermittelt so eine Idee vom konstruktiven Aufbau der Fassade. Vor den Fenstern fungieren die Sandwichs zusätzlich als Brüstungselemente.

Ebenso farbenfroh, doch in einer völlig anderen Materialität und Plastizität wurde die Fassade des Kinderhauses aus verspachtelten OSB-Platten aufgebaut und mit einem Spezialanstrich aus rotem Polyurethan-Spritzelastomer von Degussa überzogen. Deutlich edler geht es im anschließenden Schlaftrakt der Eltern und im Wohntrakt zu. Feinste Massivholzdielen aus Zebrano und eine leicht rautenförmig geprägte Rimex-Edelstahlfassade zeichnen den südlichen Teil des Hauses aus. Neben der an sich schon ausgefallenen Fassadengestaltung stellt die Sonderanfertigung eines riesigen Hub-Tors, durch das sich die Küche quasi ins Freie erweitern lässt, eine weitere Besonderheit dar. Für die übrigen Fenster wurden je nach Anforderung und Gestaltung unterschiedliche Öffnungsmechanismen und Materialien wie Eiche, Lärche, Alu oder Stahl eingesetzt.

Bei der Auswahl der Baustoffe wurde viel Wert auf Nachhaltigkeit und baubiologische Unbedenklichkeit gestellt. Neben der gewählten Holzkonstruktion tragen dazu zum Beispiel auch eine massive Wärmedämmung, Naturfarben auf Pigmentbasis im Inneren, Fenster mit Dreifachverglasung sowie eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung bei. Eine hohe Luftdichtheit der Gebäudehülle wurde durch Blower-Door-Messung nachgewiesen, nach außen hin ist das Gebäude gegen Elektrosmog abgeschirmt. Von einem »Ökohaus« im klassischen Sinne ist das Barcode-House jedoch meilenweit entfernt. Die ungewöhnliche Optik, der innovative Einsatz unterschiedlichster Materialien und nicht zu letzt eine Ausstattung mit modernster Kommunikationstechnik und höchstem Komfort, haben den Traum Realität werden lassen.