Comercial – Innenausbau einer Tagesbar in den 5 Höfen

Kategorie: Tagesbar / Innenausbau

Fertigstellung: 2003

Projektdaten:
Nettogrundfläche: 197 m²
Bruttorauminhalt BRI: 1335 m³

Planungumfang:
Architektur, Innenarchitektur, Lichtplanung

Mitarbeiter: M. Klose, K. Kalmbach

Name des Fotografen: Andreas Pohlmann

„Comercial“ heißt die neue Tagesbar in den Münchner Fünf Höfen, gestaltet von den Architekten Stadler+Partner. Nur sieben Wochen Zeit blieben den Gestaltern von Entwurf bis zur Fertigstellung und Eröffnung im vergangenen März. Vieles im Interieur erinnert an eine italienische Espresso-Bar. Über dem Eingang hängt eine schwarze Tafel mit dem aktuellen Angebot. Facettierte Spiegel mit glitzernden Glasknöpfen und Leuchten aus Kristallglas an schlanken Stielen aus verchromtem Stahlrohr zitieren das Design der 50er Jahre. Fundstücke und unterschiedliche Geschwindigkeiten bilden den Rahmen für ein dialektisches gestalterisches Konzept. Eine Bar für schnell Entschlossene, Plauderer und Flaneure.

Im Viscardihof schwebt die hypertrophe Kugel des isländischen Künstlers Olafur Eliasson. Die letzten Sonnenstrahlen spiegeln sich in den stählernen Spiralbändern; ihr Schatten verziert die Wände des fünfseitigen Innenhofes.

Ein großformatiges, rotes Stoffmuster und der Name der Bar fangen den Blick des zufälligen Passanten. Zonen unterschiedlicher Geschwindigkeiten charakterisieren den Innenraum.Die Bar für schnell Entschlossene, eine mit Leder gepolsterte Nische für Plauderer und Genießer, das Schaufenster für den Flaneur. Die Küche präsentiert sich als eingestellte Box, reduziert auf die notwendigen Dimensionen. Eine gewendelte Treppe führt zu den Nebenräumen und einer Vorbereitungsküche im Untergeschoss. Der Blick fällt auf die raue Untersicht einer Stahlbetondecke und die offene technische Infrastruktur des Raumes. „Was wir hier vorgefunden haben, waren die Glasfassaden, Estrich und ein rauer Brandschutzputz an den Wänden und der Decke; und das haben wir als wesentliche Qualität des Raumes aufgegriffen“, betonen die Architekten.

Das gestalterische Konzept lebt aus einer interessanten Dialektik. „Der Bestand ist die raue Hülle‘, unser Entwurf ist eine neu eingebrachte Schicht.“ Alle neu eingebrachten Elemente sind von der Wand abgelöst. Eine Lichtfuge aus indirekter Beleuchtung unterstreicht diese Mehrschichtigkeit und betont die Plastizität des Putzes. „Die Hülle ist sehr rau, sehr ruppig und eher industriell. Die eingebauten Elemente hingegen vermitteln ein Gefühl der Wärme, stellen Ruhepunkte dar“, erklärt Michael Onischke, Projektleiter und Partner der Münchner Architekten.

Diese gestalterische Dialektik bleibt auch ein Leitfaden für den Materialmix. Vor einem Boden aus schwarzen Schieferplatten beginnen die hellen Eichenplatten der Tische und Barhocker zu leuchten; es sind massive Holzplatten auf glänzenden Edelstahlrahmen, furniert wurde nur die Verkleidung der Bar. Die Architekten gingen auch hier bis ins kleinste Detail. Die facettierten Spiegel an der Außenseite der Küchenbox sind eine bewusste Reminiszenz an die italienischen Espresso-Bars der 50er Jahre. Eine dattelbraune Bespannung aus Nappaleder erinnert an ein gepolstertes Sofa. In runden Öffnungen bleibt der raue Brandschutzputz der dahinterliegenden Wand sichtbar. Eine rote Tapete findet sich im Schaufenster zum Viscardihof und hinter der Bar. Sie entstand aus einem Scan eines Stoffmusters, in Bahnen von 1,30m Breite gedruckt und auf Holzpaneele aufgezogen. Interessantes Detail am Rande – Umbau und Sanierung sind zentrale Aufgaben der Münchner Architekten. Besondere „Fundstücke“ sind dabei oft ein besonderer gestalterischer Ansatzpunkt. Die Leuchten im Schaufenster zur Salvatorgasse stammen zum Beispiel aus einer ehemaligen Villa in Bogenhausen. Die Glühbirnen wurden von den Architekten durch Halogenspots ersetzt. Nun schimmern die alten Kristallgläser als Visitenkarte des neuen Lokals wieder in allen Spektralfarben.

Nicht nur die Möblierung, auch die Lichtplanung blieb letztendlich die Aufgabe der Architekten. Die natürliche Belichtung des Innenraumes verändert sich wegen der großen Glasflächen bei Tag und Nacht sehr stark. Alle Leuchten sind daher dimmbar, jede beliebige Lichtsituation kann auf diesem Weg erzeugt werden. Notwendig dafür waren unter anderem spezielle Vorschaltgeräte bei Leuchtstoffröhren. Die belgische Firma Modular lieferte die in die Decke des Schaufensters eingebauten „Downuts“. Der Besucher erlebt den Raum im Wechsel von Tag und Nacht; zwischen den Zeiten und in seiner eigenen Geschwindigkeit.